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Janis Buchmeier

"Gibt es jetzt Dominanz beim Hund oder nicht?! Und bin ich der Rudelführer?

Aktualisiert: 30. Apr.


Lass uns mal mit einer Begriffsklärung starten:


In der deutschsprachigen Wikipedia findet man folgende Beschreibung:

„Unter Dominanz versteht man in der Biologie und in der Anthropologie, dass ein Individuum oder eine Gruppe von Individuen gegenüber einem anderen Individuum bzw. einer Gruppe einen höheren sozialen Status hat, worauf Letzteres unterwürfig reagiert. Das Gegenteil von Dominanz ist Unterwürfigkeit bzw. Subordination / Submissivität.“


Dominanz tritt also nur in Beziehungen, also gegenüber anderen, auf und ist somit kein Persönlichkeitsmerkmal zu sein.


Bindung und Beziehung sind Begriffe aus der Psychologie. Sie bezeichnen den Austausch von Verhalten, die Kommunikation und das Bedürfnis an Nähe zwischen zwei Individuen.

Rudel agieren „dynamisch“. Das bedeutet, dass – je nach Situation – unterschiedliche Tiere ihre Fähigkeiten zum Fortbestand des Rudels einsetzen bzw. sich unterschiedliche Tiere durchsetzen (Lockwood 2017).

Man kann es auch gut mit der menschlichen Familie vergleichen:


Auch hier werden die lebensnotwendigen Aufgaben nach Möglichkeit so verteilt, dass sie von dem Familienmitglied ausgeführt werden, das dafür die bestmöglichen Fähigkeiten bzw. zeitlichen Verfügbarkeiten hat. Wir bilden also nie ein wirkliches Rudel mit unseren Hunden. Wir bilden eine Gruppe – einen Verbund mit Strukturen.


Studien an wild-/freilebenden Hunden zeigen, dass Hunde – egal ob im städtischen oder ländlichen Raum – NICHT in sozial strukturierten Rudeln leben, sondern bestenfalls unstrukturierte Gruppen bilden. Am häufigsten bestehen diese losen Assoziationen aus 2-3 Tieren und werden nach kurzen Perioden wieder aufgelöst. Solche Gruppen bieten einen Selektionsvorteil, wenn Gefahr von Raubtieren ausgeht und dienen der Fortpflanzung. Ansonsten zeigen Hunde im städtischen Bereich sogar eine starke Tendenz, sich aus dem Weg zu gehen.


Sehr oft wird die Struktur in einer Gruppe rein hierarchisch gesehen und als „Rangordnung“ bezeichnet. Jedoch sind diese Strukturen nicht hierarchisch, sondern äußerst komplex. Man weiß schon lange, dass Beobachtungen beim Wolf, die Grundlage für das Bild unserer Hunde waren, weder auf den Hund, noch auf frei lebende Gruppen übertragbar sind. Denn die Beobachtungen fanden an Wolfsgruppen in Gefangenschaft statt.

Hundegruppen und auch Rudel haben feste Strukturen. Es gibt durchaus Leittiere und Hunde mit festen Aufgaben. Jeder Hund hat gewisse Begabungen und Defizite und das wird auch, je nach Situation, genutzt.

Korrektur, Zurechtweisungen, Strafe und Auseinandersetzungen sieht man dabei sehr selten. Meist sind es alternde oder kränkelnde Tiere, die dünnhäutig reagieren oder junge Tiere, die noch im Reifeprozess sind. Es ist jedoch nie ein Zeichen von Stärke. Leittiere in Gruppen führen nicht durch Kommandos oder Befehle, sondern durch Vorleben sinnvoller Strategien.


RUDELFÜHRER, DOMINANZ UND RANGORDNUNG IN DER HUNDEERZIEHUNG


Woher kommen dann die Denkweisen, dass du deinem Hund als Rudelführer begegnen, und dich dominant geben sollst? Sie sind kulturell bedingt und stammen aus einer Zeit in der zum einen Tiere als reine Reiz-Reaktions-Maschinen und zum anderen jede Beziehung rein hierarchisch gesehen wurde.

Es verrät auch viel über deine Persönlichkeit, wie du mit deinem Hund umgehst.

Du bist eine Person, der Macht und Hierarchie wichtig sind? Dann wirst du mit Alpha-, Rudelführer-, Dominanz und Rangordnungskonzepten vermutlich glücklich. Ganz egal, ob sie belegbar sind oder nicht.

Die Frage ist eben, was man will und was „funktionieren“ für einen bedeutet. Für mich funktionieren diese Konzepte nicht, weil sie als Ziel nicht das Zusammenleben und die Bindung haben, die ich mir wirklich wünsche.

Zu oft noch höre ich, sowohl während meiner Arbeit als Hundetrainerin, als auch und fast noch öfter in meiner privaten Zeit: „Das ist aber ein dominanter Hund!“. Oftmals wird dann auf Hunde gezeigt, die andere Hunde anknurren, nicht kommen, wenn man sie ruft oder sehr aufdringlich sind.

Solche Aussagen machen mich traurig und wütend, denn meistens wird ganz natürliches Hundeverhalten, wie zum Beispiel das Knurren eines Hundes, bestraft. Und das nur weil es den Menschen stört und er denkt, sein Hund sei dominant und müsse deswegen ordentlich bestraft werden.


Kompliziert wird es, wenn man sich das Hund-Mensch-Team anschaut. Oft werden aversive Trainingsmethoden, wie zum Beispiel „Schnauzengriff“, „Alphawurf“ oder „Rappeldose werfen“ damit begründet, dass Hunde untereinander das auch machen würden, um unter anderem ihre Stärke zu beweisen. Was dabei verschwiegen wird, ist, dass häufig nicht die souveränen, sondern die unsicheren, gestressten Hunde aggressiv auf ihre Artgenossen reagieren und dann tatsächlich auch andere Hunde auf den Rücken legen. Wir als Menschen machen das ja aber eigentlich um Stärke und Macht zu zeigen. Wir wollen ja nicht als schwach gesehen werden, oder?!


Letztendlich ist das aber für das Leben mit meinem Hund schlichtweg irrelevant:

Ich bin kein Hund! Ich kann mir nicht hündische Gesten zu eigen machen, zu denen ich aus Timinggründen überhaupt nicht in der Lage bin und die ich womöglich nur zur Hälfte erfassen kann.

Ich bin ein Mensch und verfüge über kognitive Fähigkeiten, mit denen ich tatsächlich überlegen kann, warum sich mein Hund mir gegenüber so verhält, wie er es tut und wie ich sein Verhalten ändern kann, sodass niemand aus meiner Umwelt und erst recht nicht mein Hund Schaden davon trägt.



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Janis Buchmeier


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